Shakespeare Company Berlin

Bisher waren wir noch nicht auf dem Radar der renommierten Wochenzeitung „Die Zeit“ aufgetaucht. Sei es, dass wir als zu regional wahrgenommen wurden, sei es dass sich unsere Gastspieltätigkeit vorwiegend auf den Süden Deutschlands erstreckte. Beides ist in den letzten Jahren anders geworden. Einige neu gewonnene Gastspielorte im Großraum Hamburg und sicher auch die unser neues, traumhaft schönes Theater am Insulaner mit seinem bunt gewürfelten, aus dem ganzen Land anreisenden Publikum haben das „Zeit-Feuilleton“ auf uns aufmerksam werden lassen.

Den vollständigen Artikel lesen Sie hier:

Hier singt die Nachtigall und nicht die Lerche

Die Shakespeare Company Berlin bietet in Schöneberg echtes Volkstheater.

Von Florian Eichel, DIE ZEIT Nr. 20/2023

Nicht nur Fäkalsprache und -bewurf verwandeln das Theater zuweilen in eine unappetitliche Angelegenheit. Auch dramaturgische Geschmackslosigkeiten können auf den Magen schlagen. Der Dramatiker Moritz Rinke etwa beklagte einmal das schwer verdauliche Herumsezieren an Shakespeare: Auf den Speiseplänen deutscher Bühnen sei der englische Überdichter nach wie vor der beliebteste Fisch, doch inzwischen serviere man oft nur noch seinen Kopf, Schwanz und die Gräten – während alles Gute an ihm wegfiletiert werde. Unrecht hat Rinke mit seiner Diagnose nicht; die Arbeit hiesiger Regisseure am Mythos Shakespeare gerät regelmäßig zur Metzelei. Wann und wo also wird der Schöpfer von Romeo und Julia, von Hamlet und Macbeth noch wirklich geliebt, mag der Kulturpessimist fragen. Im Sommer! In Berlin! Die Shakespeare Company Berlin gibt bei den Inszenierungen ihres Namensgebers Butter bei die Fische.

Seit 25 Jahren bringt die unabhängige und selbstverwaltete Theatergruppe Shakespeare mit imponierender Hingabe unters Volk. In den warmen Monaten – zumeist von Juni bis September – spielt das Ensemble auf einer Freilichtbühne auf dem ehemaligen Trümmerberg am Insulaner (Schöneberg). Neun Stücke sind in dieser Saison zu sehen, sie werden aufgeführt, wie sie vor über 400 Jahren im Globe Theater Premiere feierten: ohne Überdachung, in spärlicher Kulisse, mit großer Publikumsnähe. Mit historischer Akkuratesse hält sich die Shakespeare Company aber nicht auf. Man arbeitet mit eigenen Übersetzungen, welche teils die klassizistische Schönheit von Tieck und Schlegel aufgreifen, teils in Umgangssprache – echte Umgangssprache und nicht Regietheaterumgangssprache – verfallen. Die Schauspieler singen und fiedeln und stecken in fantasievollen Kostümen, die irgendwo zwischen den Märchen der Brüder Grimm und Steampunk stehen.

Wem sich bei dieser Beschreibung der Eindruck einer populärdramatischen Vereinnahmung Shakespeares aufdrängt, der liegt nicht unbedingt falsch. Die Shakespeare Company Berlin bezeichnet sich selbst ganz selbstbewusst als Volkstheater; dem eigenen Anspruch nach möchte man über kulturelitäre Grenzen hinweg für die Kunstform des Theaters begeistern. Eben hier liegt die Widersprüchlichkeit, die einen Besuch der Freilichtbühne so reizvoll macht: Das Ensemble bleibt Shakespeare treu, indem es ihn bis zu einem gewissen Grad hintergeht und lustvoll popularisiert. Gelegentlich mag das Geschehen zu Klamauk abfallen, Viel Lärm um nichts lärmt dann wirklich sehr, oder die Regie überzeichnet die differenzierte Figurenpsychologie Shakespeares, und aus Der Widerspenstigen Zähmung wird die Zähmung einer Hysterischen. Aber es liegt etwas Mitreißendes und Ungekünsteltes darin, wie das hochbegabte Ensemble offensichtlich jeden Abend aufs Neue Freude an dem von ihm so verehrten Dichter hat.

Und auch das Publikum brennt für Shakespeare. Teenager wie Rentner sind gefesselt, während Paare heimlich auf den hinteren Plätzen knutschen, es wird gelacht und getuschelt. Hier herrscht Aufregung statt Ehrfurcht, Anarchie statt Tradition. Und wenn man nach Ende des Stücks und Untergehen der Sonne den Naturpark verlässt, denkt man bei sich, während die Vögel – Nachtigallen und nicht die Lerchen – singen: So oder so ähnlich mag es sich vor vierhundert Jahren angefühlt haben, ein Shakespeare-Stück zu erleben. Und dann bekommt man Appetit auf mehr.

Die Shakespeare Company Berlin spielt in ihrem Theater am Insulaner (Munsterdamm 80) vom 3. Juni bis zum 9. September

Leave A Reply: